Digitaler Netzwerkaustausch

"Nutzungen der Innenstadt – jenseits des Einzelhandels"

 

Wann? 16. November 2022
Wo? online

Am 16. November 2022 veranstaltete das Netzwerk Innenstadt NRW einen digitalen Netzwerkaustausch zum Thema „Nutzungen der Innenstadt – jenseits des Einzelhandels“ mit 65 Teilnehmenden. Die Frage, mit welchen Möglichkeiten wir Leerstände in der Innenstadt nutzen, sie multifunktionaler gestalten und diese Projekte am besten in das Netzwerk unserer Innenstädte integrieren können, stellt unsere Städte und Gemeinden vor neue Herausforderungen.

Katrin Hitziggrad, Geschäftsführerin der Zukunftsoptimisten, und Helene Peters von der Stadt Homberg (Efze), Abteilung Wirtschaftsförderung, Stadtentwicklung und Tourismus, stellten in ihrem Inputvortrag mehrere Projekte zur Innenstadtnutzung jenseits des Einzelhandels in Homberg (Efze) vor. Nach dem „Summer of Pioneers“ entstand beispielsweise der Marktcampus, mit dem sich ein Mittelpunkt im Zentrum Hombergs etablierte, der sich durch eine Gemeinschaftsküche, einem Co-Working Space und gemeinschaftliche Nutzungsmöglichkeiten auszeichnet. Im Machwerk können Homberger*innen eine offene Werkstatt für handwerkliche Arbeiten nutzen, wofür beispielsweise Holz und Nähmaschinen zur Verfügung stehen. In der FreiraumStation ist Raum für experimentelle Nutzungen, beispielsweise als Ausstellungsfläche. Der Wandelpfad verbindet die Grünräume der Stadt und thematisiert den Klima-, Struktur- und Mobilitätswandel durch visuelle Inputs. Die beiden Referentinnen sehen Leerstand als Chance und Raum für Potenzial, der durch flexibles Handeln, neue Projekte und der darauffolgenden Verstetigungen, anders genutzt werden kann.

In der anschließenden Diskussion fragten sich die Teilnehmenden, ob durch die Projekte auch nach der Umsetzung breitere Bevölkerungsschichten erreicht werden konnten. Daraufhin betonten die Referentinnen, dass sich die Bevölkerung zwar an die herausfordernde, neue Situation gewöhnen musste, doch sich nun immer wieder neue Aktionsmöglichkeiten auftäten. Als Schlüsselrolle für eine diverse Annahme durch die Bevölkerung nannten sie visuelle Kommunikation und die Möglichkeit, immer wieder das Gespräch zu suchen. Zur Frage, wie die Eigentümer*innen in der Innenstadt gewonnen werden konnten, betonten Frau Peters und Frau Hitziggrad, dass viel Vorarbeit durch Werbung geleistet werden müsse, damit Eigentümer*innen  Immobilien zur Verfügung stellen. Auf eine Frage zu den personellen und finanziellen Ressourcen berichteten die Referentinnen, dass die Stadt vier zuständige Personen in der jeweiligen Abteilung eingestellt habe, wovon zwei aktiv an der Koordination der Projekte teilhaben. Auch hat die Stadt die Finanzierung der Projekte eigenständig übernommen, wobei nur zur Verstetigung des MarktCampus Gelder vom Landesprogramm „Zukunft Innenstadt Hessen“ geschöpft werden können.

Prof. Alexander Hagner, Architekt und Stiftungsprofessor an der FH Kärnten, ging in seinem Inputvortrag auf sein Projekt der VinziRast mittendrin ein. Der Schwerpunkt des Projektes lag hierbei auf einer integrativen Wohnform in einem Leerstand der Innenstadt Wiens, in der Studierende und ehemals wohnungslose Menschen gemeinsam in einer WG wohnen und durch das Konzept der Durchmischung unterschiedliche Menschen in der Stadt zusammenbringen.

Auch in der Diskussionsrunde stellte sich heraus, dass die teilnehmenden Kommunen bei sozialen Projekten Schwierigkeiten mit der Akzeptanz der Anrainerschaft und der politischen Verantwortlichen haben. Als Lösung dafür schlägt Prof. Hagner vor, so früh wie möglich – gegebenenfalls auch schon vor der Festlegung des Standorts – mit der Bevölkerung zu kommunizieren, durch Veranstaltungen und Gespräche Zweifel an sozialen Projekten zu minimieren und besonders symbiotische Projekte zu etablieren. Finanzierungsfragen beantwortete der Referent damit, dass Pilotprojekte zunächst nicht durch öffentliche Hilfen finanziert wurden, weil durch diese Kooperation zu hohe Auflagen einhergingen. Zur Durchführung mit Kommunen empfahl er, mit Instanzen zu kooperieren, die bereits Erfahrungen mit dem Projekt gesammelt haben.

Matthias Kafitz, Fachbereichsleiter der Ausbildungsabteilung der Handwerkskammer Rheinhessen, referierte über das Projekt des Makerspace in Alzey, in dem Jugendliche in einem ehemaligen Leerstand in der Innenstadt durch anwendbares Handwerk berufsorientiert beraten und anschließend an lokale Betriebe vermittelt werden können. Er fokussierte sich in seinem Vortrag auf die Durchführung des Projektes, das durch die LAD Rheinhessen und von der Stadt Alzey finanziell gefördert wird. Durch Kooperation mit der Stadt Alzey konnte die Handwerkskammer ebenfalls die Mietfläche erlangen.

In der anschließenden Diskussionsrunde stellte Matthias Kafitz dar, dass mit einem Personalbesatz von 1,5 Stellen durchschnittlich eine Schulklasse pro Vormittag, weitere Interessierte und Teilnehmende an Workshops betreut werden können. Weiterhin empfahl er den Kommunen noch einmal, sich mit der zuständigen Handwerkskammer in Verbindung zu setzen, da diese häufig einen hohen Bedarf an Beratungsräumen haben. Er betonte auf Anfrage auch, dass der Makerspace eine wichtige Schnittstelle zwischen Jugendlichen, weiteren Beratungsangeboten und lokalen Betrieben darstellt.

Dr. Anke Kaschlik, Koordinatorin des Forschungsprojektes TransZ von der HAWK Göttingen, stellte ihr Projekt in Holzminden vor. Um gegen Leerstände in der Innenstadt Holzmindens vorzugehen, wurden im Rahmen von Reallaboren mit der lokalen Bevölkerung zusammengearbeitet. Es entstanden der Kunst(T)Raum und StadtGESTALTEN als kreative Orte des Zusammenkommens. Weiterhin berichtete Anke Kaschlik von der Bürgergenossenschaft Holzminden, die Häuser in der Innenstadt Holzminden mithilfe von Handwerker*innen renoviert und somit neuen Wohnraum schafft. Sie fasste zusammen, dass eine Hochschule als neutrale Akteurin hilfreich in der Innenstadtgestaltung ist, wobei gesicherte Strukturen, eine gute Öffentlichkeitsarbeit und eine gemeinsame Zielerarbeitung für die Durchführung des Projektes unerlässlich seien.

In der Diskussionsrunde wurde insbesondere die Kommunikationsdiskrepanz zwischen Verwaltung und Hochschule als „Ortsfremde“ angesprochen. Um dieser entgegenzuwirken, sollte zunächst auf Unterstützung in der Bevölkerung geachtet werden. Im Anschluss könne der Verwaltung die Vorteile einer Kooperation der Gestaltung der Innenstadt aufgezeigt werden.