Gastronomie und Nachtökonomie in der Innenstadt

am 13. Dezember 2023 als digitales Format per Videokonferenz


Das Innenstadt-Gespräch fand im Rahmen der Reihe Nutzungen mit dem Fokusthema Gastronomie und Nachtökonomie statt. Christiane Marks, Geschäftsführerin des Netzwerk Innenstadt NRW, moderierte die Veranstaltung und begrüßte die rund 40 Teilnehmenden. Sie begann mit einer Einordnung der Veranstaltung als Abschluss der Themenreihe und gab einen Rückblick auf die Ergebnisse der vergangenen Veranstaltungen, u.a. dem Erfahrungsaustausch im November in Bochum. Im weiteren Verlauf folgten drei Kurzvorträge. Ziel der Veranstaltung war es kommunale Politiker*innen und Verwaltungsmitarbeiter*innen für die Themen Gastronomie und Nachtökonomie zu sensibilisieren sowie Möglichkeiten aufzuzeigen, wie gastronomische Nutzungen zu einer Attraktivitätssteigerung der Innenstadt führen können.
Die Teilnehmenden hatten zu Beginn des Innenstadt-Gesprächs die Möglichkeit ihre Erfahrungen in dem Themenfeld wiederzugeben. Dabei wurden die Konfliktpotenziale mit Anwohner*innen thematisiert, die mit einer Belebung der Innenstädte einhergehen. Gleichermaßen wurde von erfolgreichen Projekten berichtet, bei denen ein frühzeitiger und intensiver Austausch mit den Bewohner*innen stattgefunden hat. Das hat in vielen Fällen dazu geführt, dass sie die neuen Nutzungen auch für sich selber als Belebung wahrgenommen haben und den Vorhaben gegenüber positiver gestimmt waren. 

Im ersten Impulsvortrag erläuterte Jakob Franz Schmid (Geschäftsführer Jakob Franz Schmid Stadtforschung & Entwicklung) stadtökonomische Fragestellungen im Zusammenhang mit dem städtischen Nachtleben und der Abend- und Nachtökonomie. Er gab die Entwicklung in dem Themenfeld der letzten Jahre wieder und stellte heraus, dass der Diskurs und die Forschung in diesem Bereich zuletzt deutlich zugenommen haben. Er beobachtet eine neue Wertschätzung der Gastronomie in der Innenstadt und beschreibt deren Bedeutung als bedeutenden Standortfaktor für eine Stadt, losgelöst vom Stadt- oder Tourismusmarketing. In diesem Zusammenhang verwies er auch auf Projekte wie die 24-Stunden-Stadt und Stadt-nach-Acht. Allerdings hält Schmid fest, dass weiterhin Konfliktlagen in Zusammenhang mit diesen neuen Formen von Urbanität und lebendigen Städten bestehen und gleichzeitig wenig Handlungsmöglichkeiten zur Lösung dieser vorhanden sind. Das Thema Schallschutz spielt weiterhin eine bedeutende Rolle und mündet aktuell in der Forderung nach einer Kulturschallverordnung. Viele Städte haben mittlerweile Nachtbürgermeister*innen oder Koordinierungsstellen für das Nachtleben installiert, die an Konfliktlösungen zwischen Anwohner*innen und Betreiber*innen arbeiten. Abschließend hält Schmid fest: „Es braucht Räume wo Nachtleben stattfinden kann und es vibrieren darf“. 

Im Anschluss an diesen Vortrag stellte Patrick Miles (Projektleiter Harms Markt Bielefeld) das Konzept des Harms Markt in der Bielefelder Innenstadt vor. Die Markthalle ist von internationalen Gastronomieangeboten, verschiedenen Events und After-Work-Veranstaltungen geprägt. Der Harms Markt bietet 14 gastronomischen Ständen einen Platz, weist 199 Sitzplätze auf und organisiert etwa 80 Events pro Jahr. Ziel ist es niederschwellige Angebote zu schaffen und durch Pop-Up Stände die Möglichkeit zu bieten Produkte und Konzepte zu erproben. Die ehemalige Einkaufspassage war zunehmend von Leerstand geprägt ehe sie im Jahr 2015 von der Harms Gastro GmbH erworben wurde. Die größten Herausforderungen beim Umbau der Immobilie stellten der Baulärm unter Berücksichtigung der anderen Mieter sowie die umfangreichen Belüftungsinstallationen für den Betrieb der Gastronomiebetriebe dar. Neben der Markthalle im Erdgeschoss befinden sich weitere Nutzungen wie Co-Working und Wohnen in dem Gebäude. Herr Miles hebt hervor, dass sich der Harms Markt mit seinen Nachbarn, im Herzen der Altstadt, immer als Partner gesehen hat und nicht als Konkurrenten. Es sei enorm wichtig zu wissen wer in der Umgebung ansässig ist und zu überlegen welche Zielgruppen man bedienen möchte. Mittlerweile finden durch Kooperationen z.B. mit der Stadt Bielefeld und der Hochschule ein äußerst breites Spektrum an Veranstaltungen statt.

Den dritten Beitrag steuerte Dieter van Acken (Botschafter Tobit.Software Laboratories) bei und stellte vielfältige digitale Gastronomiekonzepte aus Ahaus vor. Kleinere Kommunen seien von einschränkenden Entwicklungen wie Fachkräftemangel und einer geringen Investitionsbereitschaft stärker betroffen als größere Kommunen. Die Digitalisierung biete dahingehend auch der Gastronomie einen attraktiven Weg weiterhin wettbewerbsfähig zu sein. Dadurch, dass man den Gästen mehr Aufgaben selber überlässt, würden sich deutliche Einsparungspotenziale ergeben. Die Bandbreite an digitalisierten Betrieben in Ahaus reiche von Cafés über Clubs hin zu Open Air Veranstaltungen. Durch digitale Bestell- und Bezahlmöglichkeiten, ähnlich einem klassischen Onlineshop, ist auch in Läden ohne vorherige gastronomische Nutzung der Betrieb dieser deutlich einfacher möglich. Durch eine Plattform, die eine Belieferung durch viele unterschiedliche Betriebe ermöglicht, lässt sich eine Vielzahl an Bestellmöglichkeiten zusammenbringen. So verwandelt sich ein öffentlicher Platz mit entsprechender Bestuhlung in einen Ort mit unendlichen kulinarischen Angeboten. Vor allem Außengastronomie könne oft durch fehlendes Personal nicht bewirtschaftet werden, da ist das digitale Bestellsystem eine ideale Lösung. Das Ganze lässt sich auch auf größere Maßstäbe übertragen und ermöglicht ein digitales Catering auf Kongressen und Messen. In Ahaus hat sich laut Herrn Acken mittlerweile ein vielfältiges gastronomisches Angebot entwickelt, welches es ohne die digitalen Konzepte nicht geben würde. Viele kleine Kommunen würden es ohne vergleichbare Konzepte künftig schwer haben ein gastronomisches Angebot aufrecht zu erhalten. Auch abseits der Gastronomie gibt es in Ahaus Läden und Hotels, die mit ähnlichen Konzepten nahezu ohne Personal betrieben werden. Zum Abschluss hält Herr Acken fest, dass Kommunen idealerweise mit vergleichbaren Projekten beginnen, um dem großen Ziel der Digitalisierung näher zu kommen.

In der anschließenden Diskussion wird festgehalten, dass die Gastronomie aus stadtplanerischer Sicht gute Lösungsmöglichkeiten zur Nachnutzung ehemaliger Ladenlokale biete. Allerdings würde teilweise von Seiten der Einzelhändler beklagt, dass die Innenstadt sich nur noch gastronomisch entwickelt und sich insbesondere inhabergeführte Lokale in den Hintergrund gedrängt sehen. Abschließend wird zusammengefasst, dass es Menschen braucht die mutig sind und Durchhaltewillen mitbringen. Gesellschaftliche Gruppen die sich in die Entwicklung der Gastronomie und das Nachtleben einbringen seien ein Schatz für die Stadt. Daneben ist sowohl der Wille in der Stadtverwaltung als auch die Unterstützung des Stadtmarketings von großer Bedeutung. 

Als Abschluss der Themenreihe nehmen wir viele spannende Eindrücke und abwechslungsreiche Projektbeispiele mit, die auf den unterschiedlichen Veranstaltungen diskutiert wurden. In kurzweiligen Impulsvorträgen, an verschiedenen Projektstationen und einer kleinen Exkursion konnten wir umfassende Eindrücke aus der Praxis erhalten. Analog zu den vielfältigen (Um-)Nutzungsmöglichkeiten die wir kennengelernt haben, konnten wir Perspektiven von diversen Berufs- und Interessensgruppen sichtbar machen, darunter Immobilienwirtschaft, Stadtforschung, Stadtentwicklung, Kultur- und Kreativwirtschaft, Nachbarschaftsinitiativen und Softwareunternehmen. Die Bandbreite an Projekten und Beteiligten macht Hoffnung auf zukunftsfähige und lebenswerte Innenstädte, allerdings ist auch deutlich geworden, dass es ein weiter Weg ist. Es erfordert starke Visionen, Mut zu unkonventionellen Ideen, engagierte Akteure sowie einiges an Durchhaltevermögen! Mit diesen Ausführungen schließen wir die Reihe Nutzungen ab und danken allen Teilnehmenden sowie Interessierten.

Zu den Rückblicken der einzelnen Veranstaltungen gelangen Sie hier:
Digitale Auftaktveranstaltung am 27. September auf Zoom
Erfahrungsaustausch am 9. November in Bochum