Planungsprozesse beschleunigen und effektiv strukturieren

am 16. Juni 2022 als digitales Format per Videokonferenz.

Nachdem sich das letzte Innenstadt-Gespräch um die Rolle der Kultur als Standort-Faktor für Innenstädte gedreht hatte, behandelte die Ausgabe am 14.06.2022 die Planungsprozesse, die einer baulichen Entwicklung vorgeschaltet sind. Insbesondere sollte die Frage nach der Geschwindigkeit, dem zielorientierten Aufbau dieser Prozesse sowie die Rolle der Politikerinnen und Politiker hierbei im Fokus stehen.

Nachdem der Moderator Jens Imorde, Geschäftsführer des Netzwerk Innenstadt NRW, die ca. 20 Teilnehmer*innen begrüßt hatte, startete der inhaltliche Teil der Veranstaltung mit dem Vortrag der Referentin Frau Dr. Fee Thissen unter dem Titel „360°-Blick: Wie partizipative Planungspraxis im Zusammenspiel Vieler gelingen kann“. Damit legte sie den Blick vor allem auf die Governance-Strukturen im Hintergrund und im Vorfeld jedes Planungsprozesses, die ihren Verlauf und Erfolg stark beeinflussen können. Ihre Erfahrung mit solchen Strukturen gewinnt sie unter anderem in ihrem Büro für Urbane Transformation, das sich mit Fragen und Bedingungen der nachhaltigen und zukunftsorientierten Stadtentwicklung auseinandersetzt.

Für die Beschleunigung von Planungsprozessen müssten neben vielen anderen Akteuren insbesondere Politiker*innen eingebunden werden, um so Stolpersteine aus dem Weg zu räumen. Man solle ihre Funktion als mögliche Weichensteller herausstellen. Nicht selten sei das Engagement politischer (Spitzen-)Vertreter*innen entscheidend für den Erfolg eines Planungsprozesses. Gleichzeitig seien Planungsprozesse in ihrer Substanz „multilateral“ und deckten nicht nur verschiedene räumliche Ebenen, von der Gesamtstadt bis zum Quartier ab, sondern auch viele Handlungsfelder wie Wohnen, Mobilität und weitere.

Diese Inhalte sowie die Motive eines Planungsprozesses müssten in der Öffentlichkeit so transparent wie möglich gemacht werden, da sie Verlauf und Ergebnis maßgeblich mitbestimmen. Gleichzeitig könne es aber auch nicht das Ziel sein, wirklich alle Menschen zu beteiligen.

Der 360°-Blick helfe hier, gezielt die richtigen Akteure herauszufiltern und die Kommunikation differenziert zu gestalten. Viele Gestaltungsmöglichkeiten ergäben sich erst im Zusammenspiel verschiedener Akteure („Governance“). Dieses Zusammenspiel sei aber sehr komplex. Insbesondere politische und Verwaltungsakteure bildeten ein komplexes und stark fragmentiertes Geflecht aus Akteuren, Gremien und Beratungsfolgen, die für Bürger*innen nachvollziehbar gemacht werden müssen. Dazu kommen Akteurskategorien wie die Wirtschaft, die Zivilgesellschaft  und „intermediäre“ Akteure wie die Medien oder Stiftungen, die zudem alle nie einstimmig handelten.

Diese Komplexität demonstrierte Frau Dr. Thissen anhand einer immer umfangreicher werdenden Grafik, die auch verdeutlichte, dass Planungsprozesse vor allem parallel zu und nur selten eingebunden in die politischen Prozesse ablaufen. Deshalb gelte es, Möglichkeiten der Integration zu finden, zum Beispiel in Form von eher informellen und punktuellen Workshops, Ortsbegehungen oder akteursübergreifenden Gruppen, die der Meinungsbildung dienen können. Dieses Modell nennt Frau Dr. Thissen „PIP“-Modell, kurz für „Planung – Integration – Politik“. In diesem Sinne sollten Prozesse lokaler Politik und Prozesse des Planens und „Stadtmachens“  miteinander verzahnt werden, weil diese sich zwangsläufig gegenseitig formen und beeinflussen.

Das “PIP”-Modell war auch Teil der Diskussion zwischen den Teilnehmer*innen. Wird ein solches benötigt und wie könnte es in der Praxis funktionieren? Herr Imorde berichtete in diesem Kontext von seinem Eindruck, dass zwischen Politik und Verwaltung ein zunehmendes Misstrauen herrsche. Eine Teilnehmerin konnte diesen Eindruck nachvollziehen. Ihrer Meinung nach sollte man der Politik besser erklären, wie bestimmte Verfahren in der Verwaltung funktionieren. Ein anderer Teilnehmer meinte, dies sei abhängig von der Kommune, wie gut die Akteure eingespielt seien. Man dürfe für die Einbindung politischer Entscheidungsträger*innen nicht nur die formalen Rahmenbedingungen des politischen Systems in Form von Ratsterminen und Ausschüssen nutzen. Ein weitererTeilnehmer berichtete, ein lokaler Planungsprozess sei durch die Einbindung der Politik sehr fruchtbar gewesen und auch verstetigt worden. Dies habe aber seine Grenzen aufgrund der engen terminlichen Taktung der Politik. Aus einer weiteren Kommune wurde berichtet, dass sich ein offener Ansatz in einem innerstädtischen Planungsprozess bewährt habe, der im Laufe der Zeit immer konkreter wurde.

In diesem Kontext wurde auch über Online-Formate diskutiert. Hier wurde von unterschiedlichen Erfolgen berichtet. Die Rechtssicherheit beispielsweise von Ratssitzungen sei noch nicht gegeben, informellere Beteiligungs- und Kommunikationsformate würden aber oft recht gut angenommen. Frau Dr. Thissen erwähnte in diesem Kontext die „doppelte Ernte“ durch Video-Beteiligung, weil neben der mündlichen Diskussion oft auch Hinweise und Einwände über den Chat eingingen. Für Planungsämter sei es inzwischen oft jedoch ein Problem, das sie immer mehr Kommunikations-Aufgaben bekämen, die dann Ressourcen von den eigentlichen Planungsprozessen abziehen.

Politikern gab Frau Thissen abschließend den Rat mit auf den Weg, ein klares Kommunikationskonzept zu entwickeln, aber auch kritische Stimmen zuzulassen und Resonanz zu erzeugen, indem man diese ernst nimmt. In diesem Sinne forderte sie aber auch eine „neue Entscheidungsakzeptanzkultur“ durch Bürger*innen und andere Akteure, wenn alle Fakten und Entscheidungswege transparent dargestellt wurden. Zum Schluss verwies sie auf ihren eigenen Podcast „Stadtrederei“, in dem sie mit einer Kollegin diese und ähnliche Themen bespricht.