Innenstadt als komplexer Ort - Akteur*innen erkennen, verstehen und zusammenführen"

am 18. Oktober 2022 als digitales Format per Videokonferenz.

Das Thema des Innenstadt-Gesprächs, das von Jens Imorde moderiert wurde, lautete "Innenstadt als komplexer Ort - Akteur*innen erkennen, verstehen und zusammenführen". Um der Diversität des Themas gerecht zu werden, waren fünf Akteur*innen aus verschiedenen Bereichen rund um das Thema Innenstadt geladen.

Die Gäste waren Christoph Berger, Unternehmensinhaber des Modehaus Ebbers in Warendorf; Sascha Schubert und Andreas Schulte, Vorsitzende der Immobilien- und Standortgemeinschaft Schwerter Innenstadt e.V.; Tobias Vorwerk, Vorsitzender von Die Kuppel e.V., dem Dachverband der Paderborner Kulturszene; Christian Ganzer, Mitinitiator von Bellevue di Monaco München sowie Jakob J. Lübke, der Nachtbürgermeister Osnabrücks.

In seiner Begrüßung beschrieb Jens Imorde zunächst drei zentrale Herausforderungen, vor denen Innenstädte aktuell stehen: Dies seien die Digitalisierung des Einzelhandels, die steigenden Energiepreise sosowie die Pandemie als Beschleuniger für viele Probleme.

Anschließend wurde die Vorstellungsrunde der Referenten durch Jakob J. Lübke vom Osnabrücker Stadtmarketing eröffnet. Er beschrieb seine Tätigkeit als Nachtbürgermeister als Vermittler zwischen Gastronomie- und Kulturszene auf der einen, sowie Politik und Verwaltung auf der anderen Seite. Eine Herausforderung in seinem Beruf sieht Lübke besonders darin, dass er zwar als Nachtbürgermeister einen besonderen Titel habe, jedoch keine Weisungsbefugnis besitze. Vorteilhaft sei für ihn die positive Einstellung der Osnabrücker Stadtspitze. Dadurch gelinge es in seinem Arbeitsalltag immer wieder, Wünsche aus der Szene in die Politik zu tragen und informelle und schnelle Lösungen für aufkommende Probleme zu entwickeln.

Auf Lübke folgte mit Tobias Vorwerk vom Kuppel e.V. Paderborn ein Akteur aus der Kultur- und Kreativszene. Er stellte seinen Verein als Dachverband Paderborner Kulturschaffenden vor, der 2019 gegründet wurde, um eine größere Öffentlichkeit in Paderborn anzusprechen und den eigenen Anliegen mehr Gewicht zu verleihen. Die beiden zentralen Bausteine des Kuppel e.V. waren die Umsetzung eines Corona-Kulturmonitorings sowie die Organisation das Kuppelfestes in den Jahren 2021 und 2022. Das Festival konnte mit Hilfe von Fördermitteln des Landkreises und einer Menge ehrenamtlichen Engagements gestemmt werden. Hier lobte Vorwerk den Kreis Paderborn, der sich für die Fördermittelvergabe beworben hatte. Die anschließende Diskussion zum Thema Verstetigung des Ehrenamtes kam noch der Gedanke auf, dass mit Hilfe von hauptamtlichen Ehrenamtsbeauftragten von Seiten der Verwaltung Unterstützung geliefert werden könne.

Der dritte Referent, Christian Ganzer, fügte dem Thema Innenstadt eine weitere Facette hinzu, indem er die Genossenschaft Bellevue di Monaco aus München vorstellte. Dieses Projekt hatte sich vor dem Hintergrund der sogenannten „Flüchtlingskrise“ rund um einen Immobilienkomplex entwickelt, der abgerissen werden sollte. Angetrieben von dem Wunsch, Wohnen auch von Migrant*innen von den Stadträndern ins Zentrum zu bringen, wurde die Sozialgenossenschaft im März 2015 gegründet und erhielt im April 2016 das Erbbaurecht an dem Immobilienkomplex Müllerstraße 2-6. Das Bellevue di Monaco bietet seit Sommer 2018 Wohnraum für 40 Menschen und ist gleichzeitig ein Kulturzentrum mit Veranstaltungen, Workshops und Beratungsangebote. Auf Nachfrage von Jens Imorde bestätigte Ganzer, dass diese Initiative keinen nennenswerten Beitrag zur Verbesserung der Wohnungsnot in München leisten, aber als Leuchtturmprojekt für eine nicht-kommerzielle Nutzung in der Stadt angesehen werden könne. Ganzer betonte, dass das Projekt eine positive Ausstrahlung hat und aufzeige, wie wichtig eine innerstädtische Durchmischung sei.

Christoph Berger, Inhaber des Modehaus Ebbers in Warendorf und Vorsitzender des Handelsausschuss der IHK Nordwestfalen, stellte anschließend die Bedeutung des Handels besonders in Klein- und Mittelzentren in den Fokus. Berger berichtete, wie sein Unternehmen mit den Herausforderungen der Coronapandemie umgegangen sei, da die hohe Bedeutung der Kundenbindung für den Einzelhandeln nochmals zugenommen habe. So wurde beispielsweise eine Influencerin eingeladen oder eine vertikale Modenschau veranstaltet, um das Einkaufen zum Erlebnis werden zu lassen. Berger berichtete außerdem von seinen Erfahrungen mit Genehmigungsbehörden und formulierte den Wunsch, dass sich Verwaltungsmitarbeiter*innen mehr als Ermöglicher, denn als Verhinderer definierten. Im weiteren Verlauf der Diskussion verwies ein Teilnehmer auf den Ermessensspielraum, den es häufig bei Themen wie dem Brandschutz auch gebe. Es wurde außerdem betont, dass runde Tische oder ein Citymanager, wie der Nachtbürgermeister, helfen könnten, die richtigen Ansprechpartner für bestimmte Anliegen zu finden und zwischen den Parteien zu vermitteln.

Zuletzt traten Sascha Schubert (1. Vorsitzender) und Andreas Schulte (2. Vorsitzender) von der Immobilien- und Standortgemeinschaft Schwerter Innenstadt e.V. in die Diskussionsrunde ein. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Leerstands und durch privates Engagement hat sich die freiwillige ISG vor einem Jahr gegründet. Sie kann als Weiterentwicklung der ISG Bahnhofsstraße gesehen werden. Ziel sei es, so die Vorsitzenden, die Aufenthalts-, Gestaltungs- sowie Erlebnisqualität im Zentrum zu erhöhen und so die wirtschaftliche Zukunft und die Attraktivität des Standorts zu sichern. Davon profitieren lokal angesiedelte Einzelhändler*innen, Gastronomen, Immobilienbesitzer*innen, aber vor allem auch alle Bürger*innen. Schubert und Schulte schildern u. a., wie es ihnen gelungen ist, mit verschiedenen Aktionen und Veranstaltungen, z.B. mit Pop-up-Events wie einem Kinderflohmarkt oder einem Rock-Event städtische Leerstände temporär zu nutzen und zu beleben.

Bei der Diskussion wurde von den Teilnehmer*innen immer wieder die besondere Bedeutung von Runden Tischen zur Vereinfachung der Kommunikation und der Beteiligung verschiedener Akteur*innen am Umsetzungsprozess hervorgehoben. Es brauche, vor allem bei Bauprojekten, nicht verschiedene, sondern eine/n Ansprechpartner*in und gute Kommunikationsstrukturen mit Schnittstellen zwischen den Beteiligten. Hilfreich könne dabei auch mal eine neutrale Moderation sein. Unter dem Motto „Man muss es auch wollen“ waren sich viele der Teilnehmenden einig, dass auch der Wille und das persönliche Engagement der Akteur*innen eine wesentliche Rolle bei der erfolgreichen Umsetzung von Projekten spiele. Vieles könne möglich gemacht werden, wenn auch seitens der Politik die Prozesse aktiv unterstützt werden. Zudem müsse auch die Verwaltung lernen, die eigene Rolle als Mitgestalter*in zu sehen und engagiert auszufüllen, so ein abschließender der Apell eines Teilnehmers.