Herausforderungen und Chancen des Wohnens in der (Innen)Stadt

am 12. September 2024 als digitales Format per Videokonferenz

Im Zentrum des Innenstadtgesprächs standen die aktuellen Trends und Schwierigkeiten des urbanen Wohnens. Neben der Frage, wie Innenstädte als Wohnraum attraktiver gestaltet werden könnten, ging es auch um die Rolle von Umnutzungen und die Herausforderungen bei der Stadtentwicklung. Christiane Marks (Leiterin der Geschäftsstelle des Netzwerks Stadtentwicklung NRW), begrüßte die rund 45 Teilnehmer*innen sowie die Referent*innen und gab eine kurze Einleitung in das Thema. Ziel des Innenstadtgesprächs war es, Kommunalpolitikerinnen und Vertreterinnen der Mitgliedskommunen des Netzwerks für das Thema zu sensibilisieren und über aktuelle Entwicklungen und Lösungsansätze zu informieren sowie zu diskutieren.

Angelika Münter (Senior Research Managerin am Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung) hielt anschließend einen Impulsvortrag. Sie stellte aktuelle Trends sowie bedeutende Zahlen und Fakten zur Bevölkerungsentwicklung in NRW vor, die insbesondere in Großstädten einen wachsenden Druck auf den Wohnungsmarkt unterstrichen. Sie hob zudem die Bedeutung des Remanenz- sowie des Lock-in-Effekts hervor, die langfristig zu „unsichtbarem“ Leerstand führen. Ein selektiver Zuzug und die zunehmende Attraktivität suburbaner und ländlicher, infrastrukturell gut angebundener Räume veränderten den Bedarf an urbanem Wohnraum. Münter informierte auch über die Herausforderungen der Innenentwicklung bei der Erschließung neuer Wohnraumpotenziale. Mittlerweile seien Potenziale auf Konversionsflächen und Brachen weitgehend ausgeschöpft, Proteste gegen Nachverdichtungen (NIMBY) erschwerten die Entwicklung verbleibender Flächen, und komplexe Eigentümerstrukturen verzögerten Entwicklungsprozesse. Die Außenentwicklung sei aufgrund des Freiraumschutzes ebenfalls problematisch. Münter betonte die Notwendigkeit der sogenannten „dreifachen Innenverdichtung“, die als Leitbild der Innenstadtentwicklung sowohl bebaute Grün- und Freiflächen als auch Verkehrsflächen miteinbezieht. In ihrem Fazit hielt sie fest, dass rein renditeorientiertes Bauen das Problem des Wohnraummangels nicht lösen könne. Sie schloss damit, dass die Wohnungskrise neben einem Mengenproblem vor allem ein Verteilungsproblem sei.

Im Anschluss sprach Hans-Jochem Witzke (erster Vorsitzender des Deutschen Mieterbundes NRW e.V. und des Mietervereins Düsseldorf e.V.) über die aktuelle Wohnsituation in NRW und unterstrich die Bedeutung des Bodenrechts als zentrales Hemmnis für eine positive Entwicklung des Wohnungsmarktes. Er bekräftigte die von Angelika Münter angesprochenen Herausforderungen der Wohnungswirtschaft und verdeutlichte diese anhand von Praxisbeispielen. So thematisierte er unter anderem das Machtungleichgewicht zwischen Mieter*innen und Vermieter*innen und sprach Verwertungskündigungen als besonders problematisch an. Witzke betonte abschließend, dass die Frage nach Lösungen der Wohnungsmarktsituation nur schwer zu beantworten sei, da insbesondere die kommunale Finanzsituation in vielen Gemeinden NRWs die Umsetzung von Lösungsansätzen hemme.

Einen abschließenden Input gab Kristina Klee (Referentin für Genossenschaftswesen, Stadt- und Quartiersentwicklung sowie Europapolitik bei der VdW Rheinland Westfalen). Sie nannte die klimapolitischen Aufgaben als neues Hauptthema der Wohnungsbauwirtschaft, das dazu führe, dass mehr Geld in den Wohnungsbestand zur Klimaanpassung und Sicherung einer positiven CO2-Bilanz fließe, anstatt in Neubau zu investieren. Klee betonte außerdem die wichtige Rolle von Wohnungsgenossenschaften für die Innenstadtentwicklung und nannte Lünen als Positivbeispiel. Problematisch sei jedoch, dass sowohl Genossenschaften als auch Städte kaum Zugang zu innerstädtischen Flächen hätten, um diese nach Vorstellungen der Stadt zu entwickeln. Umnutzungsstrategien spielten daher eine wichtige Rolle, die beispielsweise in der Kölner Innenstadt gut funktioniert hätten. Besonders Klein- und Mittelstädte hätten bereits viele ehemalige Sparkassenfilialen zu barrierearmem Wohnraum umnutzen können.

In der anschließenden Diskussion wurden weitere Herausforderungen und Lösungsansätze thematisiert. Mehrere Anwesende äußerten sich zu dem Instrument des An- bzw. Vorkaufsrechts, das Kommunen nutzen könnten, um innerstädtische Flächen zu akquirieren. Es wurde jedoch festgestellt, dass dieses Instrument aufgrund von Rechtsunsicherheiten kaum angewandt werde. Ein weiteres Diskussionsthema war die Rolle der Mietpreisbremse, die in vielen Städten nicht ausreichend genutzt werde. Insbesondere in angespannten Märkten, in denen die Mietbelastung für viele Haushalte mehr als ein Drittel des Einkommens ausmache, sei eine stärkere Durchsetzung von Mietrechten notwendig.

Hans-Jochem Witzke mahnte an, dass Vermietungen „nicht auf Augenhöhe“ stattfänden und bei jeder vierten Neuvermietung gegen die Mietpreisbremse verstoßen werde. Dementsprechend müsse die Stadt mehr Verantwortung übernehmen und die Mieter*innen besser unterstützen. Zudem wurde angemerkt, dass das Wirtschaftsstrafrecht verschärft werden müsse. Städte könnten zudem ein Mietenmonitoring einführen, das Verstöße direkt aufnehme und bearbeite. Auch andere Diskussionsteilnehmer*innen bestätigten das problematische Machtungleichgewicht, das einen Missbrauch des Mietrechts erleichtere. Insgesamt wurde die Mietpreisbremse jedoch als sinnvolles Instrument angesehen. Kritisiert wurde, dass die Festlegung angespannter Wohnungsmärkte durch das Land NRW zu kurz greife. Ein weiterer Schwerpunkt der Diskussion war die Bedeutung der städtischen Infrastruktur für die Attraktivität des Wohnens in der Innenstadt. Besonders die Anbindung des ländlichen Raums an urbane Zentren wurde als wichtiger Faktor hervorgehoben, um den Druck auf die städtischen Wohnungsmärkte zu mindern. Beispiele aus dem Umland von Köln zeigten, dass unzureichende Verkehrsanbindungen den Zuzug in Randgebiete erschwerten.

Abschließend wurde festgehalten, dass die Zukunft des Wohnens in der Innenstadt durch eine engere Verzahnung von kommunaler Politik, Wohnungswirtschaft und Eigentümer*innen gestaltet werden müsse. Konzepte zur Schaffung von Wohnraum und zur Reduktion von Leerständen müssten langfristig verfolgt und durch die Zusammenarbeit aller Beteiligten umgesetzt werden. Christiane Marks betonte abschließend, dass es unerlässlich sei, innovative Lösungsansätze zu fördern und die Stadtentwicklung mit Mut und Kooperation voranzutreiben. Die Veranstaltung endete mit einem Aufruf zur weiteren Vernetzung und dem Hinweis auf zukünftige Netzwerkveranstaltungen.