Kirchen geben Raum

Kirchen als Kirchen nicht mehr nutzen – das hat schon eine andere Dimension als umgenutzte Industrieanlagen, Windmühlen oder Bauernhöfe. Kirchen sind keine Nutzräume, die leicht „umzunutzen“ wären. Nicht nur, dass dabei außergewöhnliche Architekturen und Ausstattungen verloren gingen, Versammlungsräume der öffentlichen Nutzung entzogen würden und damit der Abbruch geistlicher Traditionen sichtbar wird. Was größtes Unbehagen und Unruhe sogar bei den „religiös Unmusikalischen“ auslöst, ist das Verschwinden von Zeichen und Orten, die bislang für „das Andere“, das Offenhalten der Fragen nach Woher und Wohin des Menschen stehen. Die hierfür immer noch vorhandene Sensibilität in der Gesellschaft bezeugt der Tourismus in Klöster, Kathedralen und Kirchen im Urlaub sowie zu besonderen Anlässen. Zunehmend prägen in völlig veränderter Fortschreibung früherer Traditionen andere Institutionen, Verhaltenskodizes und Desinteresse an geistlicher Auseinandersetzung die heutige Kultur. Die Bauten, die sich frühere Gesellschaften für diesen Daseinsaspekt gegeben hatten, scheinen in unsere verzweckte Zeit nicht länger zu passen. Seit Gewahrwerden dieses Phänomens gegen Ende der 1980er Jahre ist eine Vielzahl an Veröffentlichungen zu diesem Themenkreis erschienen: Umfang und Qualität dieses „Kirchensterbens“, Ursachenforschung und Perspektiven sowie Umnutzungsbeispiele und Handlungsmodelle. Die Vorliegende ergänzt diesen Strauß auf Basis eines reichhaltigen Erfahrungsschatzes und von der Warte eines Außenstehenden aus. Ihr Ziel ist beispielgestütztes Aufzeigen der Vielfältigkeit der tangierten Randbereiche, auftretender Fragen und Akteure bei einer Umnutzung. Planvolles Handeln soll möglichst alle frei fallenden Kirchenbauten in ihrer Materialität und mit neuer Nutzung retten. Ein Blick auf die hier versammelten Beispiele belegt die großen Schwierigkeiten: Projekte, bei denen Kirchen in städtebaulicher und innenräumlicher Authentizität mit möglichst öffentlicher Nutzung erhalten bleiben, sind mit einer alternativen Finanzierung nicht langfristig gesichert. Wirtschaftlich erfolgreich durchgeführte Umnutzungen zerstören die vormals als Freiräume gedachten Innenarchitekturen oft erheblich. Mit neuem Gebrauch und der damit verbundenen baulichen Auffüllung dieser Leerräume entleert sich gleichzeitig das materiell im Stadtraum erhaltene Zeichen inhaltlich. Aus entgegengesetztem Blickwinkel dürfte das Versagen der Kirchen zu konstatieren sein, eben diese Inhalte nicht mehr so zu kommunizieren, dass sie mit Relevanz für die Gesellschaft diese zeichenhaften Versammlungsräume füllten. „Unsere“ Kirchen unter Zurückdrängung des Nützlichkeitsaspektes zu erhalten, bleibt also gemeinsames, kulturelles Anliegen von Allen. So gebührt StadtBauKultur NRW und dem Autor Jörg Beste Dank für die Ermöglichung dieser Veröffentlichung. Es bleibt zu wünschen, dass sie Leser findet, die angesichts der gesellschaftlichen Tragweite dieser Aufgabenstellung für die Zukunft darin nur einen ersten Schritt und die Aufforderung zum dringend gebotenen Engagement der öffentlich Mitverantwortlichen erkennen.

Erhältlich als Download oder per Bestellung als Broschüre. (hier)