Urbane Produktion in der Innenstadt

Produktive Zentren in Zeiten des Funktionswandels

am 20. August 2020 als digitales Format per Videokonferenz

Das Netzwerk Innenstadt NRW hat am 20. August 2020 ein Innenstadt-Gespräch zum Thema ,,Urbane Produktion in der Innenstadt – Produktive Zentren in Zeiten des Funktionswandels“ durchgeführt. Die Veranstaltung wurde von Jens Imorde von derGeschäftsstelle Netzwerk Innenstadt NRW moderiert.

Nach der Begrüßung durch Hartmut Hoferichter,Stellvertretender Vorsitzender des Netzwerk Innenstadt NRW und Stadtdirektor der Stadt Solingen folgte ein Impuls zum Thema ,,Urbane Produktion in der Innenstadt“ von Dr. Stefan Gärtner, Geschäftsführender Direktor des Instituts Arbeit und Technik. Herr Gärtner erläuterte, dass die Arbeitsproduktion früher nicht ausgelagert wurde und beispielsweise in der Dortmunder Nordstadt eine Schlachthalle direkt in der Innenstadt neben einem Schwimmbad angesiedelt war. In der europäischen Stadt befand sich das Handwerk im Zentrum. Mit der Zeit wurden die Produktionen allerdings vor die Tore der Stadt verlagert (Beispiel Fleischindustrie) oder in den globalen Süden. Damit gehe die soziale Verantwortung für die einzelnen Produkte mehr und mehr verloren. Beispielsweise sind durch die Verlagerung der Antibiotika-Produktion nach Indien reversible ökologische Folgen vor Ort entstanden. Die Produktion solle als Ergänzung zur wissensbasierten Dienstleistung wieder für eine lebenswerte und durchmischte Stadt einstehen, appellierte Herr Gärtner. Momentan lassen sich vereinzelt Trends und Rahmenbedingungen für die Rückkehr urbaner Produktion in die Stadt beobachten. So betreibt Adidas seit 2016 einen Pop-up-Store ,,Knit for You“ in Berlin, bei dem mithilfe der Digitalisierung die Produktion vor Ort beobachtet und begleitet werden kann.  Produktionen in Siedlungsnähe seien für diejenigen Traditionsbetriebe möglich, die umweltfreundliche Verfahren nutzen würden. Das Leitbild der gemischten Stadt verbinde Wohnen und Arbeiten in der Stadt. Es werde sich zeigen, ob es sich bei der urbanen Produktion aktuell nur um einen Marketing Trend handele oder ob eine langfristige Veränderung möglich sei. Durch die Corona-Pandemie beschleunige sich der Strukturwandel sowie die dringende Frage, wie der Stadtraum in Zukunft genutzt werden soll. Dr. Gärtner forderte, dass im Rahmen der Bodenpolitik und des Planungsrechts Möglichkeiten entstehen müssen, die Verdrängung von Produktion, Handwerk und Versorgung in den Innenstädten zu verhindern. Insbesondere das produzierende Gewerbe sei besonders zu schützen, weil es im deutschlandweiten Trend stark zurück gehe. Zudem würde es rechtlich nicht ausdifferenziert werden, es gäbe keinen Verdrängungsschutz. Nun benötige es auf kommunaler Ebene gesamtstädtische Strategien.

Als nächstes folgte ein Impuls zum Hafven, einer Innovation Communities in Europa, von Jonas Lindemann, CEO, Hafven in Hannover. Zu Beginn seines Vortrags schilderte die aktuellen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen und Probleme und berichtete von einem Auseinandertriften von Arbeitsraum und Lebensraum. Er ging in seinem Vortrag auch auf die globale Konsequenz des lokalen Handelns ein und prognostizierte einen Rückgang von Expert*innen sowie einen wachsenden Bedarf an Menschen, die agil, kreativ und lösungsorientiert auf veränderte Begebenheiten reagieren. Im Weiteren stellte er das Start-Up Hafven vor. Das Motto des Start-Ups in Hannover ist: Easy access to people, knowledge and technology for everyone. Um die 400 Firmen kooperieren hier, dazu gehören sowohl kleinere als auch größere Firmen. Das Projekt lebe von dem Mitwirken der mittlerweile 1.300 Menschen und profitiere von der Interdisziplinarität. Umso mehr Menschen dazukommen, desto mehr Möglichkeiten und Chancen gebe es auf eine gute Lösung, fasste er die Grundidee zusammen.

In der abschließenden Diskussion wurde u. a. die Frage thematisiert, was in den Kommunen passieren müsse, dass solche innovativen Konzepte, die nicht nur Co-Working Spaces, sondern auch Produktionsräume umfassen, in anderen Kommunen, auch in Mittelzentren, entstehen. In diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, dass es vereinzelt Projekte in NRW gibt, so beispielsweise Utopia Stadt in Wuppertal. Für die Zukunft wäre es wichtig, die Bevölkerung dazu zu bemächtigen ihre Stadt zu verändern, Stichwort Bürgerbeteiligung. Die Zeit während der „Corona-Krise“ diene für solche Umstrukturierungsprozesse als Beschleuniger und als Argument.

Des Weiteren wurde über die 22 Standortschließungen von Karstadt/Kaufhof in NRW diskutiert. Dadurch entstehe ein großes Potenzial für Neunutzungen in den Innenstädten, so die Meinung der Beteiligten. Weitere Warenhäuser, wie C&A, Tom Tailer und Esprit würden folgen, sodass es zukünftig große Veränderungen im Bereich des Handels geben wird. Die großen Flächen in der Innenstadt dürften nicht nur für eine Produktionsnutzung zur Verfügung gestellt werden, sondern müssten ebenfalls das Wohnen bedienen. In diesem Zusammenhang wurde auf das Sofortprogramm der Landesregierung zur Stärkung der Innenstädte und Zentren in Nordrhein-Westfalen eingegangen. Die Landesregierung stellt hierfür 70 Millionen Euro zur Verfügung. Das Sofortprogramm ist vorausschauend konzipiert und erlaubt den Städten und Gemeinden aktives Handeln für die eigene Innenstadt. Nähere Informationen zu dem Programm gibt es auf der Internetseite des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen (www.mhkbg.nrw)

Die Veranstaltung endete mit einem Verweis auf die Tagung des Netzwerk Innenstadt NRW am 21./22. September 2020 zum Thema ,,Zukunft Innenstadt“ im Kunstwerk Mönchengladbach. Hierzu gibt es Informationen auf der Internetseite des Netzwerk Innenstadt NRW (www.innenstadt-nrw.de)


Sollten Sie Interesse an den Präsentationsfolien von Herrn Dr. Gärtner und Herrn Lindemann haben, so schreiben Sie uns unter info@innenstadt-nrw.de gerne eine E-Mail. Wir werden Ihnen diese dann zukommen lassen.